von Dr. Judith Wiemers

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Falstaff
„Regisseur Calixto Bieito blickt mit seiner Falstaff-Inszenierung in die Abgründe der modernen Gesellschaft.“ concerti
Komposition: Giuseppe Verdi
Libretto: Arrigo Boito nach der Komödie The Merry Wives of Windsor and Passagen aus dem Drama King Henry IV von William Shakespeare
- 1893 9. Februar, Uraufführung am Teatro alla Scala in Mailand
- 2020 19. Januar, Premiere an der Hamburgischen Staatsoper
- 2025 „Die Welt da draußen: Jeder Körper hat Respekt verdient!“ · Christopher Warmuth spricht mit Autorin Julia Kremer: 15. Oktober, 18:45 · Foyer 2. Rang
Besetzung
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Inszenierung
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Bühnenbild
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Kostüme
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Licht
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Chor
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Dramaturgie
Das Stück
- Spielstätte Staatsoper, Großes Haus
- Dauer 150 Min
- Pause Nach dem II. Akt
- Altersempfehlung Ab 14 Jahren / Klasse 9
- Sprache In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Uraufgeführt wurde die Commedia lirica am 9. Februar 1893 an der Mailänder Scala. Die Hamburger Inszenierung feierte am 19. Januar 2020 Premiere.

Mit FRAMING the REPERTOIRE beleuchten wir vergangene Inszenierungen als eigenständige Kunstform.
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GUIDANCE: Diskutieren Sie mit jungen Expert:innen über Werk, Inszenierung und Relevanz – vor, während und nach jeder Vorstellung in den Foyers
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„Die Welt da draußen: Jeder Körper hat Respekt verdient!“ · Christopher Warmuth spricht mit Autorin Julia Kremer: 15. Oktober, 18:45 · Foyer 2. Rang
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Mit freundlicher Unterstützung durch die
Pressestimmen
„Regisseur Calixto Bieito blickt mit seiner Falstaff-Inszenierung in die Abgründe der modernen Gesellschaft.“
Concerti
„Die Staatsoper Hamburg hat wieder einmal den Mut bewiesen, ausgetretene Interpretationspfade zu verlassen. So wird Oper spannend. Diese Inszenierung regt zum Denken an.“
Klassik.com
Mit seiner letzten Oper Falstaff wagt sich Altmeister Giuseppe Verdi 1893 nach seinem frühen Misserfolg Un giorno di regno noch einmal an eine Komödie. Er kreiert ein Werk voll musikalischer Verve, das hinter der Fassade des sprudelnden Lustspiels zu einer Reflexion über Moral und Unmoral auffordert. Auf diesen doppelten Böden der Oper bewegt sich der spanische Regisseur Calixto Bieito in seiner für die Staatsoper Hamburg im Jahr 2020 entstandenen Inszenierung spielerisch. Der 1963 geborene Bieito macht seit über 25 Jahren mit Arbeiten, die in ihrer visuellen Konkretion den Finger in gesellschaftliche Wunden legen, Furore. Während er in früheren Produktionen mit expliziten Darstellungen etwa von Prostitution oder institutioneller Gewalt emotionale Reaktionen des Publikums provozierte, lässt er sich – dem Komponisten nicht ungleich – in Falstaff auf ein Experiment mit Konventionen des für ihn untypischen Genres ein.
So zeichnet er den Protagonisten in aller Konsequenz als komödiantische Figur, die als alternder Hedonist aneckt und anekelt. Über die Freiheit szenischer Improvisation verweigert sich dieser Falstaff einer Einordnung sowohl in strenge Gattungsformen als auch gesellschaftliche Systeme. Er lebt verschwenderisch und nur nach den Regeln der Sinnlichkeit, frönt Genüssen und nimmt sich, so viel er kriegen kann. Im Versuch, gleich mehrere Frauen gleichzeitig zu verführen, scheitert er nicht nur krachend, sondern wird die Konsequenzen seiner Verwegenheit über den gesamten Opernabend zu spüren bekommen. Die Adressatinnen seiner Avancen verwickeln ihn in ein Verwirrspiel, vergnügen sich, ihn nach allen Regeln der Kunst zu demütigen, und lassen im Reigen der Rachetaten die Grenzen zwischen Opfer und Täter verschwimmen. Ausgehend von Shakespeares Dramen The Merry Wives of Windsor und Henry IV, destilliert Librettist Arrigo Boito sowohl die humo- ristischen als auch die tragischen Begegnungen Falstaffs mit der Dominanzgesellschaft heraus und liefert der szenischen Interpretation zahlreiche Vorlagen für Situationskomik und bitterböse Sozialkritik. Bieito seinerseits portraitiert und persifliert in der Figurenführung den Kontroll- und Leistungszwang unserer spätkapitalistischen Gesellschaft, in der ein nur scheinbarer Individualismus überspannt ist von Normen, Klassendenken und spießbürgerlicher Grausamkeit. Wer nicht ins Körperbild passt oder keinen von Selbstdisziplin gegeißelten Lebenswandel führt, wird schonungslos verstoßen. Und so taumelt der Lebens- und Liebeshungrige als sozialer Außenseiter durch die Geschichte, eingebettet in ebenso verführerische wie abstoßende Tableaus, die die Titelfigur – austernschlürfend und sekttrinkend – in die Extreme menschlicher Zustände treiben.