Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
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Matthias Baus

3. Philharmo­nisches Konzert

ZeitSpiel MAHLER / MILCH-SHERIFF
Im 3. Philharmonischen Konzert begegnet uns Gustav Mahler in der sängerischen Interpretation durch Annika Schlicht und Benjamin Appl. Ella Milch-Sheriff hat sich von einigen seiner Lieder zu Neukompositionen inspirieren lassen. „Ich muss die richtige Balance finden“, beschreibt sie ihre Arbeit, „zwischen meiner Position als Komponistin im 21. Jahrhundert und den Texten aus Des Knaben Wunderhorn, die aus einer völlig anderen Zeit stammen.“ *** ÄNDERUNGSMITTEILUNG: Das 3. ZeitSpiel wird dirigiert von Keren Kagarlitsky, die kurzfristig Adam Fischer ersetzt. Im Anschluss rundet das 3. Philharmonische Konzert sein liedhaftes Programm – anstelle des ursprünglich angekündigten Konzertes für Orchester Sz 116 von Béla Bartók – mit Robert Schumanns 4. Sinfonie in d-Moll op. 120 ab.

Programm

ZEITSPIEL DREI:
GUSTAV MAHLER / ELLA MILCH-SHERIFF

  • Lieder aus Des Knaben Wunderhorn

    I. „Wer hat dies Liedlein erdacht?“
    II. „Rheinlegendchen“
    (Überschreibung von Ella Milch-Sheriff)
    III. „Lob des hohen Verstandes“
    IV. „Des Antonius von Padua Fischpredigt“
    V. „Wo die schönen Trompeten blasen“
    VI. „Das irdische Leben“
    (Überschreibung von Ella Milch-Sheriff)
    VII. „Revelge“
    VIII. „Trost im Unglück“
    IX. „Der Tod und das Mädchen im Blumengarten“
    (Neukomposition von Ella Milch-Sheriff)
    X. „Urlicht“

Robert Schumann

  • 4. Symphonie in d-Moll op. 120

Das Konzert

  • Spielstätte Elbphilharmonie, Großer Saal
  • Dauer 120 Min
  • Altersempfehlung Ab 10 Jahre
Die erste Saison unter dem neuen Generalmusikdirektor Omer Meir Wellber widmet sich einem spielerischen und zugleich spannenden Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Für alle 10 Philharmonischen Konzerte wurden zeitgenössische Komponist:innen beauftragt, einen neuen Satz für ein klassisches Werk zu schaffen. Sie werden dadurch zu ZeitSpielen und überschreiten die Grenzen des Gewöhnlichen. Dieses musikalische Spiel ohne Berührungsängste eröffnet neue Perspektiven auf unsere Musikkultur, unser Denken und Sein, auf unsere Art, Musik zu rezipieren.

Im 3. Philharmonischen Konzert wird Ella Milch-Sheriffs musikalische Interpretation der Texte aus Des Knaben Wunderhorn erklingen – denn einige der Mahler'schen Lieder werden durch Neukompositionen aus ihrer Hand ersetzt, inspiriert vom Original. Mahler begegnet uns in unserer heutigen Zeit als Spiegel der Vergangenheit und zugleich durch Milch-Sheriff als Teil des Hier und Jetzt.

„Einerseits würde ich nie zeitgenössische Musik Texten überstülpen, die nichts mit unserer Zeit zu tun haben. Andererseits hat es keinen Sinn, Musik zu schreiben, die keinen Bezug zu unserer Zeit hat. Ich muss also die richtige Balance finden zwischen meiner Position als Komponistin im 21. Jahrhundert und den Texten aus Des Knaben Wunderhorn, die aus einer völlig anderen Zeit stammen.“ ELLA MILCH-SHERIFF
Pressestimmen

„Originallieder und Überschreibungen greifen überzeugend ineinander. Milch-Sheriff steht Mahler an Dichte und Textnähe nicht nach. [...] Annika Schlicht singt die Milch-Sheriff-Lieder eindringlich mit warm leuchtendem Timbre. [...] Den Großteil der Original-Mahlers übernimmt der Bariton Benjamin Appl, ein Liedsänger, wie man ihn sich subtiler nicht wünschen könnte. [...] 
Aber wie schon vor der Pause zeigen sie auch hier Flexibilität und Engagement statt Routine. Und Kagarlitsky hat ihre Feuertaufe bestanden.“


Hamburger Abendblatt

GUSTAV MAHLER

LIEDER AUS
„DES KNABEN WUNDERHORN“

ENTSTEHUNG
1893 bis 1899

 

URAUFFÜHRUNG
zwischen 1893 in Hamburg und 1905 in Wien

 

ORCHESTERBESETZUNG
drei Flöten, drei Oboen, drei Klarinetten, drei Fagotte, vier Hörner, zwei Trompeten, Posaune, Tuba, Pauke, Schlagzeug, Harfe, Streicher

ZEITSPIEL DREI

Wunderhorn und Wirklichkeit

 

von Janina Zell

Zum Artikel
Ella Milch-Sheriff
Im Dialog

Komponistin Ella Milch-Sheriff über ihre Auseinandersetzung mit Gustav Mahler

 

von Michael Horst

Zum Interview
DREI LIEDER AUS SCHWEREN TAGEN

von Ella Milch-Sheriff

Als Omer Meir Wellber mit der Idee auf mich zukam, einige Gedichte aus Des Knaben Wunderhorn neu zu vertonen, die sich in Mahlers Liederzyklus einfügen könnten, habe ich zwei Texte gewählt, die Mahler selbst bereits in Musik gesetzt hat. Sie sind im Wesentlichen weiblich und sehr unterschiedlicher Natur. Mir fiel auf, dass die meisten dramatischen Lieder sehr maskuline Lieder oder Militärlieder sind. Daher wandte ich mich der umfangreichen Gedichtsammlung des Wunderhorns zu und stieß auf das Gedicht „Der Tod und das Mädchen im Blumengarten“, das Mahler nicht vertont hat, und so entstand ein Zyklus aus drei Liedern, das erste über Einsamkeit, das zweite über Hunger und das dritte über den Tod.

Ich bin Israeli, und dies sind schwere Tage eines traurigen und sinnlosen Krieges, in dem auf beiden Seiten Unschuldige ermordet werden und Kinder verhungern. Ich begann, das Lied „Das irdische Leben“ zu komponieren und der Gedanke an ein hungriges Kind in Gaza ließ mich nicht los. Aus einem starken Schmerzgefühl heraus habe ich dieses Lied komponiert, mit Anklängen an orientalische Klänge in der Rolle des Kindes und der Schlaginstrumente. Der Text ist schmerzhaft und dramatisch und die Quelle meiner Inspiration lag mir sehr nahe. Gleichzeitig habe ich im gesamten Lied auf versteckte Weise rhythmische und andere Motive aus Mahlers großartigem Originallied verwendet. Ich habe es wie eine Miniaturoper mit drei musikalisch unterschiedlichen Rollen aufgebaut, die alle von einer Mezzosopranistin gesungen werden.

Das Lied „Rheinlegendchen“ war für mich die größte Herausforderung. Der Text ist ein kleines Volksmärchen ohne große Dramatik und Mahler hat es so perfekt komponiert, wie einen österreichischen Ländler. Die Herausforderung, etwas Neues zu schreiben, war enorm. Als ich tiefer in den Text eintauchte, wurde mir klar, dass das Thema für mich die Einsamkeit des Mädchens war. Den naiven Text des Mädchens habe ich eher in Richtung Einsamkeit und Ernüchterung und weniger in Richtung eines kleinen Volksmärchens gelenkt. Während des gesamten Liedes ist in der Musik das Fließen des Rheinwassers zu hören, das manchmal in Mahlers Musik vorkommt – fast das gesamte Lied hat einen leichten Fluss. Anstelle des Dreierrhythmus’ von Mahler habe ich einen Fünferrhythmus verwendet, der sich ständig mit einem gleichmäßigen Rhythmus abwechselt. Ich habe auch versucht, die Instabilität der Situation des Mädchens, ihre Enttäuschung, ihre Hoffnung und das Erwachen am Ende musikalisch zum Ausdruck zu bringen. 

Das dritte Lied „Der Tod und das Mädchen im Blumengarten“ beschreibt die schwierige und grausame Konfrontation eines jungen Mädchens in einem Blumengarten mit dem Todesengel, der kommt, um ihre Seele zu holen. Sie fleht um ihr Leben, doch der Todesengel gibt nicht auf. Auch hier habe ich eine Art Mini-Oper aus Dialogen zwischen dem Mädchen und dem Todesengel geschaffen. Das Gedicht ist sehr lang, detailliert und brutal. Ich habe daraus einige Strophen ausgewählt, die ausreichen, um die Not des Mädchens und die Grausamkeit des Todes zu vermitteln. Das Lied ist Ariel und Kfir Bibas gewidmet, den rothaarigen Babys, die am 7. Oktober aus ihrem Zuhause entführt und in Gaza kaltblütig ermordet wurden.

Die Mahler-Originale – zum Nachhören

Die folgenden Aufnahmen sind im Rahmen eines Dirigierworkshops mit Omer Meir Wellber entstanden: eine Kooperation unseres Orchesters mit Studierenden der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Sie erleben Sukjong Kim als Dirigentin und Annika Schlicht als Mezzosopran.

3. Philharmo­nisches Konzert

ZeitSpiel MAHLER / MILCH-SHERIFF

  • Dauer 120 Min
  • Altersempfehlung Ab 10 Jahre

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