Als Omer Meir Wellber mit der Idee auf mich zukam, einige Gedichte aus Des Knaben Wunderhorn neu zu vertonen, die sich in Mahlers Liederzyklus einfügen könnten, habe ich zwei Texte gewählt, die Mahler selbst bereits in Musik gesetzt hat. Sie sind im Wesentlichen weiblich und sehr unterschiedlicher Natur. Mir fiel auf, dass die meisten dramatischen Lieder sehr maskuline Lieder oder Militärlieder sind. Daher wandte ich mich der umfangreichen Gedichtsammlung des Wunderhorns zu und stieß auf das Gedicht „Der Tod und das Mädchen im Blumengarten“, das Mahler nicht vertont hat, und so entstand ein Zyklus aus drei Liedern, das erste über Einsamkeit, das zweite über Hunger und das dritte über den Tod.
Ich bin Israeli, und dies sind schwere Tage eines traurigen und sinnlosen Krieges, in dem auf beiden Seiten Unschuldige ermordet werden und Kinder verhungern. Ich begann, das Lied „Das irdische Leben“ zu komponieren und der Gedanke an ein hungriges Kind in Gaza ließ mich nicht los. Aus einem starken Schmerzgefühl heraus habe ich dieses Lied komponiert, mit Anklängen an orientalische Klänge in der Rolle des Kindes und der Schlaginstrumente. Der Text ist schmerzhaft und dramatisch und die Quelle meiner Inspiration lag mir sehr nahe. Gleichzeitig habe ich im gesamten Lied auf versteckte Weise rhythmische und andere Motive aus Mahlers großartigem Originallied verwendet. Ich habe es wie eine Miniaturoper mit drei musikalisch unterschiedlichen Rollen aufgebaut, die alle von einer Mezzosopranistin gesungen werden.
Das Lied „Rheinlegendchen“ war für mich die größte Herausforderung. Der Text ist ein kleines Volksmärchen ohne große Dramatik und Mahler hat es so perfekt komponiert, wie einen österreichischen Ländler. Die Herausforderung, etwas Neues zu schreiben, war enorm. Als ich tiefer in den Text eintauchte, wurde mir klar, dass das Thema für mich die Einsamkeit des Mädchens war. Den naiven Text des Mädchens habe ich eher in Richtung Einsamkeit und Ernüchterung und weniger in Richtung eines kleinen Volksmärchens gelenkt. Während des gesamten Liedes ist in der Musik das Fließen des Rheinwassers zu hören, das manchmal in Mahlers Musik vorkommt – fast das gesamte Lied hat einen leichten Fluss. Anstelle des Dreierrhythmus’ von Mahler habe ich einen Fünferrhythmus verwendet, der sich ständig mit einem gleichmäßigen Rhythmus abwechselt. Ich habe auch versucht, die Instabilität der Situation des Mädchens, ihre Enttäuschung, ihre Hoffnung und das Erwachen am Ende musikalisch zum Ausdruck zu bringen.
Das dritte Lied „Der Tod und das Mädchen im Blumengarten“ beschreibt die schwierige und grausame Konfrontation eines jungen Mädchens in einem Blumengarten mit dem Todesengel, der kommt, um ihre Seele zu holen. Sie fleht um ihr Leben, doch der Todesengel gibt nicht auf. Auch hier habe ich eine Art Mini-Oper aus Dialogen zwischen dem Mädchen und dem Todesengel geschaffen. Das Gedicht ist sehr lang, detailliert und brutal. Ich habe daraus einige Strophen ausgewählt, die ausreichen, um die Not des Mädchens und die Grausamkeit des Todes zu vermitteln. Das Lied ist Ariel und Kfir Bibas gewidmet, den rothaarigen Babys, die am 7. Oktober aus ihrem Zuhause entführt und in Gaza kaltblütig ermordet wurden.