Im Dialog
von Michael Horst
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Was für eine Beziehung haben Sie zu Gustav Mahler?
Vor nicht allzu langer Zeit hat in Wien meine Oper „Alma“ Premiere gehabt, in der es um Alma Mahler geht. Gustav Mahler, dessen Musik ich seit Langem liebe und verehre, ist mir durch meine Arbeit an der Oper noch nähergekommen. Verliebt in seine Musik habe ich mich erstmals, als ich „Das Lied von der Erde“ gehört habe – damals war ich schon eine ausgebildete Musikerin.
In was für einen Dialog treten Sie mit dem so viel älteren Komponisten Ihrer Wahl?
Meine Musik steht immer in einem versteckten oder offensichtlichen Dialog mit Komponisten der Vergangenheit. Hier handelt es sich um einen ganz besonderen Fall, da ich zwei sehr berühmte und beliebte Lieder von Grund auf neu komponieren und einen Dialog zwischen meinen neuen Kompositionen und Mahlers Liedern finden muss. Der Dialog könnte dadurch entstehen, dass man denselben Takt verwendet, aber andere Teile des Textes betont. Der Dialog könnte in Form eines Widerspruchs stattfinden, was bedeutet, dass ich dem Text durch meine Musik eine andere Interpretation gebe.
Es ist eine große Herausforderung für mich, einen Dialog mit Gustav Mahler zu führen. Ich würde es sogar als Anmaßung bezeichnen, zu glauben, dass ich neben einem so großen Musiker stehen und einen Dialog mit ihm führen kann. Aber wenn ich musikalisch etwas Neues zu sagen habe, mit denselben Worten, dann hoffe ich, dass ich eine Art Dialog mit der Musik, die er geschaffen hat, führen kann.
Tauchen Sie mit Ihrem Werk und dessen Stil in die Zeit der anderen Komposition ein? Oder bevorzugen Sie es, ganz im 21. Jahrhundert zu bleiben?
Einerseits würde ich nie zeitgenössische Musik Texten überstülpen, die nichts mit unserer Zeit zu tun haben. Andererseits hat es keinen Sinn, Musik zu schreiben, die keinen Bezug zu unserer Zeit hat. Es geht also darum, die richtige Balance zu finden zwischen meiner Position als Komponistin im 21. Jahrhundert und Texten, die aus einer völlig anderen Zeit stammen. Ich hoffe, dass es mir gelingt, eine Kombination aus dem zu schaffen, was der Text von mir verlangt, ohne seinem Rhythmus entgegenzuwirken, sondern ihm zu folgen und ihm dennoch eine zeitgenössische Bedeutung und Dimension zu verleihen.
Welche Erfahrungen haben Sie mit einer solchen musikalischen Metamorphose?
Ich habe durchaus schon Werke komponiert auf Texte der Vergangenheit – auf meine Art. Diesmal handelt es sich allerdings um einen riskanten Versuch, wohlbekannte und wundervolle Mahler-Lieder durch meine eigene Version zu „ersetzen“. Ich hoffe, ich schaffe das, indem ich den Gedichten eine neue, andere Bedeutung erschließe.
Im Mittelpunkt dieser Saison steht die Idee vom SPIEL. Was bedeutet für Sie Spiel – im musikalischen und im nichtmusikalischen Sinn?
SPIEL, ob nun musikalisch oder nicht-musikalisch, bedeutet, Werkzeug zu nutzen und damit alles Mögliche zu schaffen. Ich als Komponistin spiele mit meinem „Werkzeug“, also den Noten, den Instrumenten, Worten und Buchstaben… PLAY im Englischen meint auch eine Szene auf der Bühne. Da ich immer auf der Suche nach einem Drama bin, wähle ich Texte aus, die das Gefühl von Drama in sich tragen.