INTERVIEW: Figuren Stimme geben

... und Stimmen Raum geben. Ein Gespräch von der Dramaturgin Michelle Stoop mit der Komponistin Iris ter Schiphorst und der Musikalischen Leiterin Claudia Chan

Porträt: Iris ter Schiphorst
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Bettina Stoess
Iris ter Schiphorst
Porträt: Claudia Chan
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Younggoo Chang
Claudia Chan

MICHELLE STOOP Iris ter Schiphorst, in Deinem kompositorischen Schaffen widmest Du Dich immer wieder Auftragswerken für junges Publikum. Was war Dir beim Komponieren dieser Kinderoper wichtig bezüglich Deines Zielpublikums?

IRIS TER SCHIPHORST Kinder sind das offenste Publikum, das man sich vorstellen kann. Das zeigt zumindest meine Erfahrung. Bei Die Gänsemagd ging es mir darum, mich voll und ganz auf das Grimm'sche Märchensujet einzulassen und mit all den Mitteln, die mir kompositorisch zur Verfügung stehen, die Komplexität der Figuren auszudrücken. Und so war es mir wichtig, den Figuren eine Stimme zu geben, eine Stimme, die für Kinder unmittelbar verständlich ist und ihre Lebenswelten berührt. Eine Stimme, die in ihren eigenen Körpern resoniert und vielleicht sogar dazu führt, dass sie einige Melodien im Kopf behalten.

MICHELLE STOOP Claudia Chan, mit Die Gänsemagd debütierst Du als Musikalische Leiterin an der Hamburgischen Staatsoper. Was ging Dir durch den Kopf, als Du das erste Mal Die Gänsemagd angehört hast bzw. Du Dich mit der Partitur auseinandergesetzt hast?

CLAUDIA CHAN Ich war berührt von der aufrichtigen Freude, die die Partitur von Dir zum Ausdruck bringt, und die die Kinder mit großer Sicherheit begeistern wird. Die Gänsemagd ist ein bemerkenswert erfrischendes Stück mit einprägsamen und charmanten Melodien, einer ausgefeilten und nuancenreichen instrumentalen und elektronischen Partitur sowie subtilen musikalischen Witzen, die das Stück für alle interessant machen.

IRIS TER SCHIPHORST Mir war trotz der kleinen Besetzung und des kleinen Raums eine große klangliche Vielfalt wichtig. Die (Kontrabass-)Klarinette hat einen ganz warmen, zarten und komplexen Klang. Sie ist ein Instrument, das verschiedenste spieltechnische Möglichkeiten bietet. Das Cello bringt eine ganz eigene Farbe im tiefen Register und mit den Flageolett Tönen in der Höhe ein. Als Ergänzung dazu schien mir das Akkordeon sehr lebendig, also auch ein nicht klassisches Instrument im engeren Sinne, das vor fünfzehn Jahren noch eher der Volksmusik zugeordnet war, sich mittlerweile aber in der zeitgenössischen Musik durchgesetzt hat. Das Keyboard wiederum ist ein Chamäleon-Instrument, weil es einerseits über verschiedene Klangcharakteristiken verfügt (Celesta, Glasharfe, Trompete) und ihm andererseits ein Sampler für elektronische Einspielungen über die Tastatur zugeordnet werden konnte.

CLAUDIA CHAN Mir scheint, dass die elektronische Musik und die Samples, die Du in Deiner Musik verwendest, dazu beitragen, dass die Kinder in diesem 360-Grad-Raum völlig eintauchen können, da sie die Musik überall um sich herum hören. Aus einer Richtung hören sie die akustischen Instrumente, denn die Musiker:innen bleiben im Gegensatz zu den Sänger:innen an Ort und Stelle sitzen, aus einer anderen Richtung die Sänger:innen, die ständig in Bewegung sind. Um sie herum ist die Elektronik, die den Klangraum erweitert – manchmal sogar über die physische Welt hinaus.

Auszug aus einem Interview, das von Michelle Stoop während der Probenzeit am 24. Juni 2025 geführt und am 14. Juli 2025 freigegeben wurde.

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