Stephen Hough über seine Auseinandersetzung mit Beethoven – intim und ernsthaft, ekstatisch und voller Seele

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Welche Beziehung haben Sie zu dem Komponisten, dem Ihr neues Werk gewidmet ist?
Durch seine Musik ist Beethoven zu einem meiner engsten Freunde geworden. Ich werde jedes Mal energetisiert und inspiriert, wenn ich eines seiner Werke spiele.
Welche Art von Dialog entwickeln Sie zwischen sich und dem viel älteren Komponisten Ihrer Wahl?
Seit Beginn seines Schaffens finden sich in Beethovens Werk einige spezifische Merkmale, die sich bis zum Ende hin durchziehen. Eines davon ist die Suche nach einer Art Ekstase, einem Ziel jenseits der Noten. In den späten Streichquartetten findet sich dies besonders ausgeprägt, aber auch in früheren Werken. Der langsame Satz des dritten Klavierkonzerts ist dafür ein gutes Beispiel: die entfernte Tonart (E-Dur), das extrem langsame Tempo, die ungewöhnliche Optik durch Notenwerte, die sich wie Zellen immer stärker in Mikro-Einheiten teilen. Dazu am Ende des Satzes die Kadenz („con grande espressione“) – als ob die Seele sich verströmt. Ich möchte etwas von dieser Ekstase in meiner Komposition zum Klingen bringen.
Möchten Sie mit Ihrer Komposition in die Zeit und den Stil des anderen Werks eintauchen? Oder ziehen Sie es vor, fest im 21. Jahrhundert zu bleiben?
Ich habe einige Elemente aus Beethovens Musik übernommen. Der ganze Satz basiert auf einem Choral, der entstanden ist, indem ich Melodie, Rhythmus und Verzierungen vom Anfang des Klaviersolos entfernt habe – nur die Harmonien bleiben. Zwei weitere Elemente finden sich darüber hinaus später im Satz: eine absteigende Triolenfigur vom Ende des Klaviersolos sowie die ersten drei Noten des letzten Satzes. Aber die musikalische Identität steht fest im 21. Jahrhundert, vor allem durch Gebrauch von Bitonalität.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Art von Metamorphose gemacht?
Am nächsten bin ich dieser Art von Metamorphose wohl beim Schreiben von Kadenzen für die Mozart-Konzerte gekommen. Manchmal habe ich auch, im Schatten von Rachmaninow und Liszt, virtuose Transkriptionen verfasst, etwa Mozart im Stil von Poulenc! Das Hamburger Projekt ist dagegen ein viel intimeres und ernsthafteres Unterfangen.
Im Mittelpunkt der gesamten Saison 2025/26 steht die Idee des Spielens. Gehen Sie „spielerisch“ mit dem Orchester und seinen Instrumenten um? Was bedeutet „Spiel“ für Sie – im musikalischen und außermusikalischen Sinne?
Als ich diese Frage zuerst las, war meine spontane Reaktion: Nein! Aber vermutlich gibt es verschiedene Formen des Spiels, und es muss nicht immer mit unbeschwertem Gelächter verbunden sein. Das beste Äquivalent wäre wohl „Spiel“ als intimer Austausch zweier menschlicher Wesen und ihrer inneren Gefühle.
Hamburg, 10. September 2025