Im Dialog
Gustav Holst
Berühmt für die Orchestersuite „The Planets“
Sextett e-Moll H.10 für Oboe, Klarinette, Fagott, Violine, Viola und Violoncello
im Alter von 26 Jahren komponiert
Holst begann früh Klavier und Geige zu spielen; das eine machte ihm Spaß, das andere jedoch weniger. Im Alter von zwölf Jahren fing er außerdem auf Anregung seines Vaters mit dem Posaunespiel an, da dieser der Meinung war, dass das Spielen eines Blechblasinstrumentes sein Asthma verbessern könnte.
Was macht mit deinem Instrument besondere Freude beim Spielen seiner Komposition und in der Sextett-Besetzung?
GUILHERME FILIPE SOUSA (OBOE):
Die Vielfalt der musikalischen Farben empfinde ich in diesem Werk als besonders ausgeprägt. In der Musik ist ein großes Spektrum von dunkel-mysteriös zum leichten Hellen bis hin zu stark rhythmischen Elementen abgebildet. Der Dialog zwischen den Instrumenten ist deutlich wahrzunehmen und dadurch spürt man, dass eine Geschichte erzählt wird, auch wenn das Werk keinen programmatischen Titel besitzt und jede Person sich eigene Bilder vorstellen kann.
Gustav Holst wollte zwar gerne Pianist werden, musste diese Pläne jedoch im Alter von 17 Jahren aufgeben aufgrund einer Nervenentzündung im rechten Arm. Trotz der Vorbehalte seines Vaters verfolgte er stattdessen eine Karriere als Komponist. Er bewarb sich um ein Kompositionsstipendium am Royal College of Music (RCM) in London, aber es wurde in dem Jahr an Samuel Coleridge-Taylor vergeben.
Welche Widerstände oder Herausforderungen musstest du bei deiner beruflichen Laufbahn überwinden?
IRIS İÇELLIOĞLU (VIOLA):
Im Studium habe ich oft darüber nachgedacht, wie ich meinen eigenen Klang finde und meine persönliche musikalische Sprache entwickeln kann. Es ist natürlich eine unendliche Geschichte! Mit dem Einstieg ins Berufsleben habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, achtsam mit dem eigenen Körper umzugehen – damit das Spielen nicht nur verletzungsfrei bleibt, sondern sich auch auf lange Sicht natürlich und frei anfühlt.
1903 unternahm Holst mit seiner Frau eine Reise nach Deutschland, finanziert vom Erbe seines verstorbenen Vaters. Während seines Aufenthalts in Deutschland überdachte Holst sein Berufsleben und beschloss 1903, das Orchesterspiel aufzugeben, um sich ganz auf das Komponieren zu konzentrieren.
Welchen Einfluss hat das Spielen von Kammermusik auf dein Orchesterspiel?
PATRICK HOLLICH (KLARINETTE):
Kammermusik verbessert das Orchesterspiel, da es das aufmerksame Zuhören, die Klangbalance und das präzise Zusammenspiel fördert. Man entwickelt ein feineres Gespür für Intonation, Rhythmus und Dynamik sowie für nonverbale Kommunikation. Diese Sensibilität und Eigenverantwortung helfen mir, mich im Orchester flexibler, sicherer und musikalisch ausdrucksstärker zu bewegen.
Edvard Grieg
Ikonisches Ohrwurmstück: „In der Halle des Bergkönigs” aus der Peer-Gynt-Suite
Andante con moto c-Moll EG 116 für Violine, Violoncello und Klavier
Im Alter von 34 Jahren komponiert
Grieg hat seinem Klaviertrio eine hohe Emotionalität und musikalische Intensität verliehen.
Wie fühlt es sich an, diese Musik zu spielen und welche Technik erfordert es, sie zum Ausdruck zu bringen?
DANIEL CHO (VIOLINE):
Das „Andante con moto“ zu spielen fühlt sich an wie ein ständiges Wechseln zwischen etwas sehr Intimem und etwas voller Leidenschaft und Dramatik. Es ist, als würde man große Wellen von Emotionen tragen und trotzdem jedes Detail genau formen – vom leisesten Moment bis zum kraftvollsten Klang. Mein Lieblingsmoment ist, wenn das Hauptthema im Fortissimo zurückkehrt, nach seiner leisen, fast flüsternden Einleitung. Das ist für mich der Höhepunkt des Stücks, wenn alle drei Spieler mit viel Emotion und Leidenschaft spielen.
Das Cello hat in Griegs Klaviertrio einen der Geige sehr gleichberechtigten Part.
Was verändert sich im Zusammenspiel mit den anderen Musiker:innen, wenn man eine mehr oder eine weniger prominente Rolle mit seinem Instrument einnimmt?
CLARA GRÜNWALD (VIOLONCELLO):
Für mich verändert sich nichts Wesentliches, wenn das Cello eine gleichberechtigte oder exponierte Rolle übernimmt. Jedes Instrument ist in seiner Funktion wichtig – ob führend, begleitend oder vermittelnd. Entscheidend ist stets das gegen-seitige Zuhören, Reagieren und gemeinsame Atmen. Kammermusik lebt vom Dialog: mal übernimmt man die Initiative, mal lässt man sich tragen, doch immer bleibt das Ziel der gemeinsame musikalische Ausdruck.
Beim „Andante con moto“ handelt es sich um das einzige Klaviertrio, das Grieg komponiert hat, und es besteht aus nur einem Satz (statt wie üblich bei Kammermusik der Zeit aus vier). Da es keine weiteren Skizzen gibt, hatte er wohl auch keine Pläne, es noch zu erweitern.
Welches Projekt würdest du gerne noch vollenden oder umsetzen?
CAMILLE LEMONNIER (KLAVIER):
Mich reizen interdisziplinäre Projekte, also zum Beispiel die Verbindung von Musik mit Wissenschaft und anderen Künsten. So können Musiker:innen wie Publikum Neues entdecken und intensiver erleben. Besonders spannend finde ich, die Musik, die ich liebe, aus mehreren Blickwinkeln zu zeigen, im Zusammenspiel mit Malerei oder durch die Auseinandersetzung mit Begriffen, die unsere Wahrnehmung prägen. Vielleicht wollte Grieg auch keine weiteren Sätze schreiben, weil sein Werk offen bleiben sollte. Auch Projekte wünsche ich mir so: nie vollendet, sondern immer weitergehend.
Samuel Coleridge-Taylor
Bekanntestes Werk: Kantate „Hiawatha's Wedding Feast“
Nonett in f-Moll op. 2 „Gradus ad Parnassum“
Im Alter von 19 Jahren komponiert
Coleridge-Taylor, der Sohn eines Arztes aus Sierra Leone und einer Engländerin war, erzielte zu Lebzeiten solche Erfolge, dass er von weißen Musikern in New York City als „afrikanischer Mahler” bezeichnet wurde, als er Anfang des 20. Jahrhunderts drei Tourneen durch die Vereinigten Staaten unternahm.
Wann ist dir der Komponist bzw. eines seiner Werke das erste Mal begegnet und warum habt ihr sein Sextett für das Programm ausgewählt?
FELIX VON WERDER (KONTRABASS):
Auf das Nonett von Coleridge-Taylor bin ich 2022 während einer Reise nach Los Angeles aufmerksam geworden, weil es dort in der Walt Disney Hall auf dem Programm stand. Das Konzert konnte ich zwar nicht besuchen, aber ich habe online die Noten gefunden und mir eine Biografie des Komponisten besorgt. Das Nonett hat mich dann mit seinen schönen und verschwenderischen Melodien direkt ins Herz getroffen. Dazu kommen wegen der besonderen Kombination der Instrumente ein einmaliger Sound und große Kontraste zwischen ausladenden Tuttis und verschmitzten Pianissimo-Klängen im Scherzo.
Das Nonett trägt den Untertitel „Gradus ad Parnassum“, übersetzt „Stufe zum Parnass“ (dem altgriechischen Musenberg und Dichtersitz). Es ist ein Demonstrationswerk für seine Kompositionsfähigkeiten während seines Studiums am Royal College of Music in London. Der Titel spielt auf das musiktheoretische Kontrapunktwerk von Johann Fux sowie auf eine satirische Klavierkomposition von Claude Debussy an und symbolisierte für Coleridge-Taylor eine kompositorische Meisterleistung. Das Werk selbst ist ein Beispiel für seine Kreativität und die Fähigkeit, verschiedene Instrumentenpaarungen zu nutzen, um die Texturen und den Charakter des Stücks zu gestalten.
Welchen Moment oder Teil des Werkes findest du besonders meisterhaft?
JAN POLLE (HORN):
Besonders meisterhaft finde ich den ersten Satz, und dabei vor allem die Instrumentation: Schon in den ersten Takten zeigt Coleridge-Taylor eine großartige Balance zwischen den Streichern und den Bläsern, sodass keine Gruppe nur begleitend wirkt. Aus der Sicht eines Hornisten finde ich meisterhaft, wie er es schafft, das Horn nicht nur „dazwischen“ zu setzen, sondern es organisch in den Dialog zwischen Streichern und Bläsern einzubinden.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt erwog Coleridge-Taylor ernsthaft, in die Vereinigten Staaten auszuwandern, da ihn die Vergangenheit seiner väterlichen Familie dort faszinierte. Deren ursprüngliche Wurzeln in Sierra Leone führten auch zu seinem Interesse, traditionelle afrikanische Musik aufzugreifen und in die klassische Tradition zu integrieren, wie es Johannes Brahms mit ungarischer oder Edvard Grieg mit norwegischer Volksmusik tat.
Welche traditionelle Musik gibt es an deinem Herkunftsort und wie wird sie lebendig gehalten?
JOSÉ SILVA (FAGOTT):
Die traditionelle Musik Venezuelas ist vielseitig – mit indigenen, afrikanischen und europäischen Wurzeln. Joropo und Gaitas sind wahrscheinlich die bekanntesten Musikstile. Gaitas erklingen besonders zu Weihnachten. Mit Joropo verbinde ich sofort das Cuatro, eine kleine, viersaitige Gitarre, und die Maracas, die rhythmisch dazu geschüttelt werden. Die Musik ist lebendig und schnell und erklingt auch heute noch bei Familienfeiern und Festen im Viertel. Traditionelle venezo-lanische Musikstile sind heute nicht nur lebendig, weil einzelne musikalische Elemente in populären Musikrichtungen aufgegriffen werden, sondern auch, weil sie fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens sind, von Generation zu Generation weitergegeben werden und so gelebte Kultur bleiben.