Frühling, Sommer, Herbst, Winter, ein neuer Frühling … – Die Einteilung des Jahres in Jahreszeiten existiert bereits seit mehreren Jahrtausenden. Sie ist das Resultat eines Zusammenspiels von kultureller Prägung und naturwissenschaftlicher Erkenntnis. Ihr Ziel: Ordnung und Bedeutung in den zyklischen Wandel der Zeit bringen. Die Aufteilung in vier Jahreszeiten findet sich beispielsweise in Ovids Metamorphosen. Im Grunde ist die Vierteilung eine kulturelle Konstruktion, die sich durch die dominante mitteleuropäische Sichtweise etabliert hat. In anderen Regionen der Welt gibt oder gab es auch Modelle mit zwei, drei, vier oder sogar fünf Jahreszeiten. Meteorologisch und astronomisch entstehen die Jahreszeiten durch die Neigung der Erdachse und den Umlauf der Erde um die Sonne und variieren je nach Region.
Antonio Vivaldi erlebte den Wechsel der Jahreszeiten in der Landschaft Italiens. Inspiriert davon schrieb er sein populärstes Werk: „Le quattro stagioni“, ein Zyklus von Violinkonzerten, der vor 300 Jahren in Amsterdam veröffentlicht wurde. 240 Saisonzyklen später griff Astor Piazzolla, inspiriert von Vivaldi, das Thema musikalisch erneut auf und schuf seine „Las cuatro estaciones porteñas“ (Die vier Jahreszeiten von Buenos Aires) – eine Hommage an seine Wahlheimat, die er mit seinem charakteristischen Tango Nuevo und Jazz-Einflüssen färbte. Acht Jahreszeiten wurden daraus durch Leonid Desyatnikov, der die beiden Zyklen 1998 zu einem Konzert zusammenfügte. Desyatnikov fusionierte die beiden Kompositionen, teilte die argentinischen Jahreszeiten analog zu Vivaldis in je drei Abschnitte, webte Zitate des Barockwerks in Piazzollas Klänge hinein und spielt mit der klimatischen Umkehr der Hemisphären: So tauchen in Piazzollas „Sommer“ Anklänge aus Vivaldis „Winter“ auf. – Eine Fusion, die die Welt musikalisch ein kleines Stück zusammenrücken lässt und in ihrer Heterogenität Raum für ein kreatives Weiterdenken schenkt.